Erster Kulturschock überwunden

Ein gewisser Alltag ist eingekehrt und ich habe mich langsam an das Land etwas gewöhnt, nach dem der erste Monat jetzt schon vorbei ist. Morgens und abends kann ich mit einem Kollegen und dessen Fahrer auf die Baustelle fahren. Dort bin ich während der normalen Arbeit immer wieder am schreiben an meiner Projektarbeit für die Hochschule und der lange Arbeitstag ist gefühlt kaum länger als ein deutscher Arbeitstag.

Da es auf den Straßen kaum Ampeln gibt, bzw. sie nur beachtet werden, wenn Polizisten mit Schlagstöcken daneben stehen, gibt es an manchen Kreuzungen nur einen Polizisten, welcher tanzend den Verkehr leistet. Es macht echt Spaß ihm bei seiner Arbeit zuzusehen und es funktioniert! Seht selbst:

 

Abends gehe ich unter der Woche oftmals mit einem anderen Student Ferdinand laufen, eine Strecke am Zaun entlang, im Camp die größte mögliche Runde, die man drehen kann, ca. 2,2 Kilometer. Anfangs habe ich mich schwer getan, bei mindestens schwülen 25°C in den Abendstunden laufen zu gehen, aber mittlerweile habe ich mich daran gewöhnt und fünf Runden schaffen wir gut in einer Stunde. Anschließend springen wir immer in den Pool und schwimmen dort noch ein paar Bahnen zum Abkühlen. Wenn man das nicht macht, fängt man selbst  nach dem Duschen wieder an zu schwitzen.

 

Donnerstags und sonntags ist Beachvolleyball auf einem tollen Sandplatz mit Flutlichtanlage. Dort macht es echt Spaß zu spielen, allerdings mussten wir jetzt schon öfters vorzeitig abbrechen da immer wieder der Himmel innerhalb von wenigen Minuten total schwarz wird, es dann anfängt zu stürmen, sodass der Volleyball hinfliegt, wo er gerade will und es kurz darauf meist heftig anfängt zu regnen. Zu Beginn ist der Sand so heiß, dass wir ihn mit einem Gartenschlauch kühlen müssen und am Ende kommt Wasser ohne Ende vom Himmel…

 

Spontan treffen wir uns manchmal zum Skat spielen im Clubhaus. Dabei lernt man auch andere Kollegen von anderen Baustellen kennen, aber es wird zum Glück auch nicht nur über die Arbeit geredet. Direkt neben dem Camp wohnen einige wenige Fahrer, die wir Abends fragen können, ob sie uns in die Stadt bringen, da die meisten von uns hier keinen Führerschein haben und wir Praktikanten sowieso nicht selbst Autofahren dürfen. In der Stadt gehen wir ab und zu ins Kino oder wir treffen uns mit Einheimischen. Das ist bisher noch nicht so oft vorgekommen, aber mein Onkel Jürgen hat mir einen guten Kontakt hergestellt zu einem Geschäftspartner und Kollegen Mkpe. Er wohnt eigentlich in Lagos, ist jedoch geschäftlich auf der ganzen Welt unterwegs, manchmal auch in Abuja. Die erste Gelegenheit habe ich gleich am Schopf ergriffen um ihn zu treffen. Er ist mit seinem Cousin Uchenna aus Abuja gekommen und sie haben beide viele interessante Geschichten erzählt. Diese Woche habe ich mich dann gleich noch mal mit Uchenna verabredet, dieses Mal habe ich noch ein paar andere Praktikanten, und er noch ein paar Kollegen mitgebracht, sodass wir eine gemütliche Runde waren. In einer Bar haben wir „Star“-Bier getrunken, das hier am geläufigsten nigerianische Bier und Billard gespielt. Das war echt super!

 

Samstags nach der Arbeit gibt es immer eine Mountainbike-Ausfahrt. Die Firma hat drei Leihfahrräder, die reserviert werden müssen, aber meistens können wir Studenten diese unter uns aufteilen, da alle anderen Mitarbeiter ihre von Deutschland mitgebracht haben. 20 Kilometer vom Camp aus über Stock und Stein, durch den Busch, das tut echt gut! Das Beste finde ich jedoch, dass wir bei der Gelegenheit raus aus dem Camp kommen und nicht den Weg zur Baustelle fahren. Denn von diesem Weg gibt es eigentlich kaum Abweichungen, da es in letzter Zeit immer wieder Warnungen gibt und wir uns vor allem abends nicht in großen Menschenansammlungen aufhalten sollen. Aber so fast allein im Busch ist in Ordnung. Immer wieder kommen wir an kleinen Dörfern vorbei, bis wir am Ende bei einer Buschbar anhalten und dort ein Feierabendbier trinken.

 

Am 1. Mai-Feiertag sind wir eine besondere Tour gefahren: Morgens um halb Neun war Abfahrt mit zwei Kleinbussen, einer für die Räder, einer für uns neun Fahrer. Auf der anderen Seite der Stadt, auf einer Anhöhe im Stadtteil Mpape wurde alles entladen und wir standen plötzlich mitten auf der Straße in einem der ärmsten Viertel Abujas. An der Straße reiht sich ein Verkaufsstand an den nächsten, zwischendurch kommen Reparaturwerkstätten oder ähnliches. Davor laufen einige Menschen zu Fuß entlang, werden jedoch immer wieder von Autos und LKWs auf die Seite gedrängt, da es auf der schlaglochübersäten „Straße“ nicht genug Platz gibt. Zwischendurch fahren in den kleinen Lücken immer irgendwo kleine Mopeds. Ein Fahrzeug stinkt mehr als das andere und jeder hupt, einfach um zu zeigen, dass er da ist, habe ich das Gefühl. Wir schlängeln uns also einen Weg durch dieses Chaos und schauen dass wir raus kommen in die nicht so dicht besiedelten Vororte. Nach und nach weht frische Luft um unsere Nasen und es wird immer heißer. Wir gewinnen immer mehr an Höhenmeter auf einem mittlerweilen schmalen Buschweg bis wir auf einem Plateau erst einmal Rast machen und die Aussicht genießen. Die restliche Strecke geht es eigentlich nur Berg ab, man muss nur immer wieder ein bisschen in die Pedale treten, um über ebenes Gelände zu rollen. Das gibt natürlich immer wieder die Gelegenheit zum Voll-Speed-Fahren: Das heißt aus dem Sattel raus, den verschwitzten Lenker gut festhalten und den Vordermann nicht aus dem Auge verlieren, den Berg hinunter heizen, über Stock und Stein, durch kleine Flussläufe, über Schwellen, die als Schanzen genutzt werden, wobei man immer aufpassen muss dass man nicht im abgeriebenen Sand von der Piste stecken bleibt, denn dieser bremst unheimlich. Das macht echt Spaß!

Wir kommen immer wieder an kleinen Dörfern vorbei in denen die Kinder aus den Hütten oder aus den Feldern heraus gerannt kommen, uns zujubeln, winken und es als etwas ganz besonderes empfinden, dass eine Gruppe von weißen auf so tollen Fahrrädern an ihnen vorbei fahren. Da prallen auch wirklich zwei Welten aufeinander, wenn wir da auf unseren Hightech Rädern, vollgefedert, mit Scheibenbremsen und GPS von Cannondale, Scott und Cube an deren Lehmhütten vorbei brausen!

Nach ca. 40 Kilometern, einem Schnitt von 22 km/h und dicken Oberschenkeln kommen wir um die Mittagszeit in einem Dorf an, in dem wir uns gemütlich unter eine Ansammlung von Bäumen in den Schatten setzen und erst mal eine zischende kalte Cola genießen. Wenig  später kommen dort auch die Busse an in denen wir unsere Vesperbrote haben, die jetzt so richtig gut schmecken! Auch jetzt sind wir immer wieder von einheimischen, staunenden Kindern umringt. Einige ältere Männer wollen mir zum Abschied die Hand geben, obwohl ich so verdreckt und verschwitzt bin, aber für die ist es wohl etwas ganz besonderes einen großen, blonden, weißen Mann zu begrüßen, wird mir später erklärt. Erschöpft von der Tour kommen wir nachmittags im Camp an und verbringen den restlichen Tag am Pool oder beim Räder sauber machen!

 

Sonntags ist neben dem Beachen eigentlich meistens ausschlafen, lesen und relaxen am Pool angesagt. Abends treffen wir uns Studenten fast schon traditionell zum Abendessen, entweder in einer unserer Wohnungen zum Kochen oder vor dem Haus zu Grillen. Das ist echt ein guter Wochenabschluss zum quatschen, lachen und ausklingen.