Vancouver mal anders

Die letzten Tage hat sich mein geplanter restlicher Aufenthalt in Kanada drastisch verändert: Am Freitag morgen (14.8.) bin ich beim Arbeiten von einem kleinen, flachen aber rutschigem Dach auf einen Betonweg gefallen, mit Farbe und allem in der Hand. Zum Glück war ich nicht allein am Haus und mein Manager kam auch gleich und hat mich ins Krankenhaus gebracht. Dort hat sich herausgestellt, dass mein linker Oberschenkel Knochen kurz vor dem Hüftgelenk gebrochen ist, mein rechter Daumen zum Glück nur geprellt und meine Stirn eine ordentliche Beule hat.
Am Samstag morgen wurde ich gleich operiert und werde jetzt höchst wahrscheinlich für den Rest meines Lebens eine „flexible hip screw" (flexible Hüftschraube) in meinem Knochen tragen.
Nach dem ich aufgehört habe mir nur Vorwürfe zu machen und zu überlegen was ich alles besser und anders hätte machen können bin seit dieser Woche schon wirklich wieder optimistisch gestimmt und überlege mir wie ich jetzt eben die verbleibende Zeit in Kanada anders gestalten kann. Die Krankenschwestern und Doktoren waren wirklich nett und haben mich rund herum versorgt. Das habe ich genossen, denn wer weiß, wann ich das nächste mal ins Krankenhaus kommen werde, hoffentlich nicht so bald!

 

Seit gestern bin ich wieder zu Hause. Viele Freunde haben mich im Hospital besucht und mit mir telefoniert. Ein guter Kumpel Jamie aus Neuseeland, den ich letztes Wochenende an der Sunshine Coast kennen gelernt habe hat mich nach Hause gebracht und jetzt kann ich wieder selbst mein Leben gestalten, wie ich will. Lebensmittel wurden mir gebracht, so weit es nötig war und ich kann einfache Sachen selbst kochen. Das tut gut. Draußen auf dem Balkon kann ich in der Sonne essen und lesen und gehe so das „normale" Leben ganz langsam wieder an. Das klingt hart, aber es hätte schließlich auch viel schlimmer ausgehen knnen!
Nicholas, mein Zimmerkollege ist zur Zeit auf einer Geschäftsreise in Australien und Norwegen für 2 Wochen, das heißt ich bin die meiste Zeit alleine zu Hause. Dadurch ist es aber auch sehr ruhig, was ich genieße und ich nutze die Gelegenheit, viel nach Hause zu Telefonieren und den ganzen Versicherungskram zu erledigen. Heute Mittag werde ich außerdem zur Physiotherapie hier um die Ecke gehen und Freunde kommen heute Abend zum Karten spielen.
Im Apartment kann ich mittlerweile schon ohne Krücken laufen, sobald ich raus gehe, auch nur zum Briefkasten brauche ich jedoch die Gehilfe um das Bein nicht zu sehr zu belasten. In einer Woche kann ich schon wieder ohne Krücken laufen und nach einigen Wochen auch langsam wieder Sport machen, so wurde mir versprochen. Die Zeit bis dahin muss ich mich natürlich schonen und alle Bewegungen mit den Beinen ganz langsam ausführen. Das fällt mir nicht einfach, aber ich zwinge mich dazu, in der Hoffnung auf baldige Heilung. Zur Arbeit werde ich natürlich nicht mehr zurück kehren. Alles hat seine positiven und negativen Seiten...

 

Ein weiterer positiver Gedanke ist, dass ich schon eher am Ende meines ganzen Jahres bin (wenn dass in den ersten Wochen passiert wäre, oje....) außerdem ist zumindest der Hochsommer mehr oder weniger vorbei. Ich habe schon viele tolle Wanderungen hier in der Umgebung unternommen, wie zum Beispiel zu Panorama Rigde. Dort waren Nicholas, Esther, Kieran, Stefan und ich. Alle sind gute Freunde aus Vancouver, Stefan jedoch ist ein Cochsurfer, der direkt vor dem Wochenende gekommen ist und spontan uns auf die Wanderung begleitet hat. Er kommt auch aus Deutschland und reist durch Nordamerika für einige Monate.
Nach 1.5 Stunden Autofahrt zusammen in den Norden sind wir von einem Parkplatz aus 11 Kilometer mit großen Rucksäcken (Zelt, Essen, Schlafsack, ein bisschen Kleidung) zu einem wilden Campingplatz gewandert, an einem riesen unbegreiflich blauen Gebirgssee. Dort führt keine Straße hin oder so, aber es gibt Zeltplattformen und Plumsklos! Das finde ich echt klasse! Am See direkt haben wir leckere belegte Brote zu Mittag gegessen und anschließend sind wir alle ins super klare Wasser gesprungen zur Abkühlung. Nachmittags ist Kieran mit mir weiter gelaufen, wirklich auf den Gipfel, ohne Rucksack. Das waren weitere 5 Kilometer und 700 Höhenmeter die uns auf insgesamt ca 2100 Meter gebracht haben mit sagenhaften Blick auf den See und die anderen Berggipfel herum.

 

Nach einer gemütlichen Nacht unter Sternen sind wir am Sonntag los gezogen zur Black Tusk, einem weiteren Berggipfel, der sogar ein bisschen höher ist. Um auf die wirkliche Spitze zu kommen muss man das letzte Stück klettern. Das war ein anstrengendes und schweißtreibendes Abenteuer, aber es hat sich gelohnt. Dort oben fühlt man sich ein Bisschen wie Gott, fast über den Wolken, alles Leben ist unter einem, dachte ich für einen Augenblick.
Sonntag Abend gings dann zurück nach Hause und natürlich unter der Woche haben wir alle wieder gearbeitet. Der Job als Maler war eigentlich wirklich auch in Ordnung. Ich konnte 5 Tage die Woche mindestens 8 Stunden am Tag Geld verdienen und ich habe richtig festgestellt jede Woche wie ich ein bisschen schneller und erfahrener mit verschiedenen Streichtechniken wurde und mit meinen Kollegen waren auch super nett. Das vermisse ich jetzt natürlich alles ein bisschen.

 

Naja, aber es gibt noch ein weiteres tolles Ereignis, dass sicherlich nicht so schnell in Vergessenheit geraten wird:
Direkt vor meinem Krankenhauswochenende war ich für 3 Tage an der Sunshine-Coast und habe geholfen in einem Team von Freiwilligen, bei einer Mountain Bike Challenge. (http://www.great-explorations.com/). Die Aufgabe war 165 Personen von Freitagabend bis Sonntagmittag mit Essen zu Versorgen, den Weg durch die Wälder und Felder auszuschildern, wenn nötig Räder reparieren, erste Hilfe leisten, für gute Stimmung sorgen und natürlich selbst viel Spaß haben! Ich würde sagen, dass uns 15 Helfern das echt gut gelungen ist.
Es waren immer einige mit auf den Rädern, auf der Strecke um nach dem Rechten zu schauen und andere natürlich die Gepäck und Essen transportiert haben. Mahlzeiten mussten frühzeitig vorbereitet werden und da sich die Gruppe so sehr auf der Strecke verteilt hat haben die ersten schon mit Mittagessen angefangen wobei andere noch beim ersten Zwischenstopp waren und das Frühstück gerade zusammengepackt wurde! Naja, es war alles gut organisiert und ich habe geholfen bei 2 Frühstücken (habe 150 Eier auf ein Mal abgekocht und alle wurden gegessen!!!) und das Abendessen vorzubereiten. Das war wirklich super lecker: Gegrilltes Lachsfilet mit Gemüse angebraten über dem Feuer und frischer Salat. Zum Nachtisch gabs, ok, gekaufter Kuchen:)
Ich habe meinen Van als Transportmittel zu Verfügung gestellt und er wurde bis unters Dach voll geladen und ist jetzt voller Sand und Dreck aber es war sehr hilfreich und hat sich gelohnt! Am Sonntag bin ich auch ein Stück mit einem geliehenen Mountainbike gefahren und hab es sehr genossen: Direkter Blick auf den Ozean, durch feucht nasse Wälder, über Wurzeln, durch keine Bäche, über schmale Brücken ohne Geländer und auf Schotterpisten den Berg hoch. Die Teilnehmer waren super zufrieden und ich denke es war ein ganz guter Ersatz für die Jugendfreizeiten die ich normalerweise im Sommer in Europa leite. Es war zwar hier ohne Altersbeschränkung und nur für ein Wochenende dafür eine riesen Gruppe. Das Übernachten in Zelten ist natürlich etwas besonderes auf der ganzen Welt, auch wenn wir nicht viel geschlafen haben...

 

Diese ganzen Aktivitäten werde ich jetzt wirklich vermissen auf der anderes Seite bin wirklich froh, dass ich hier schon so viel erlebt habe. Ich muss die verbleibende Zeit jetzt einfach anders gestalten und mich auf einfache Muskelaufbauübungen konzentrieren...
Trotz den ganzen Einschränkungen werde ich sehr wahrscheinlich Ende nächster Woche, wie schon lange geplant, in den Norden fahren oder fliegen. In Whitehorse, Yukon werde ich meinen Patenonkel Michael aus München treffen. Darauf freue ich mich schon unglaublich! Zusammen werden wir eine gemütliche Woche in einer Hütte in der Wildnis verbringen, juhuuuuuuuuuuu!!!!!!!!!!!!!!