Montreal - Mont Tremblant

„The more you know about Germany, the less you understand it. (...) As you travel Germany's regions you'll find that given all their differences they might as well be seperate countries. All that's the real fun of visiting Germany - first heaving your stereotypes blown away and then trying to make sense of what you've found."
Das habe ich in Montreal in einem kleinen Buchgeschäft in der Reiseabteilung gefunden. Im Reiseführer Lonely Planet mit dem Titel „Western Europe" habe ich das Kapitel Germany aufgeschlagen und musste spontan schmunzeln. Es ist sehr interessant hier, die Heimat von der Ferne aus zu betrachten und zu erleben wie andere darüber denken.

Im Dezember war ich viel unterwegs und habe dementsprechend viel erlebt, angenehmes und unangenehmes. Zum Beispiel habe ich in einer Jugendherberge einen deutschen Reiseführer von National Geographic auf einem Tisch herumliegen gesehen. Den gleichen habe ich zu Hause im Regal stehen. Dort steht er, weil er so schwer ist, und jetzt finde ich das gleiche Exemplar hier im französischsprachigen Kanada! Ich habe natürlich gleich ein bisschen darin gelesen, in deutscher Sprache, das,was ich vor ein paar Monaten schon mal gelesen habe. Das hat gut getan.
Auf der anderen Seite gibt es natürlich auch eher unangenehme Erfahrungen, zum Beispiel die Duschen: In jedem Badezimmer funktionieren die irgendwie anders. Manchmal ein Knopf zum drehen, hoch und runter ziehen oder zwei Knöpfe, bei denen man heißes und kaltes Wasser erwarten könnte aber doch immer wieder von unerwarteten Temperaturen überrascht wird. Und dann steht man da unter besonders heißem oder kaltem Wasser oder unter einem nur tröpfelnden Duschkopf und fragt sich: was mach ich hier überhaupt? Warum bin ich nicht zu Hause, dort wo ich jeden Tag die gleiche Dusche benutzen kann und weiß wie sie funktioniert?!
Doch das gehört zum Reisen einfach auch dazu und es trotzdem macht es viel Spaß unterwegs zu sein!

Nach zwei Wochen bei der Familie Cool-Fergus bin ich mit einem Bus knapp 200 Kilometer von Ottawa nach Montréal gefahren und bin dabei richtig in die französischsprachige Welt eingetaucht. Angekommen dort mit Sack und Pack bin ich mit der U-Bahn, Metro genannt, vom Busbahnhof in eine nette Jugendherberge gefahren (zum Glück ohne Umsteigen). Dort wurde ich sehr nett empfangen und gleich eingeladen abends mitzukommen um verschiedene Bars in der Umgebung zu erkunden. Da bin ich natürlich mitgegangen und habe einige lustige Menschen kennen gelernt, nicht nur an diesem Abend. Ich habe mich austauschen können über Lebensgewohnheiten in Montreal, in anderen Städten in Kanada und in der ganzen Welt. Es tut gut, von Städten (Ottawa oder Toronto) berichten zu können, in denen man selbst schon viel erlebt hat.
Tagsüber bin ich manchmal allein oder mit anderen Neuankömmlingen durch die Straßen der größten Stadt Quebecs gezogen. Dabei bin ich durch das größtenteils zugefrorene Hafengebiet gekommen, durch die Altstadt mit beeindruckenden Kirchen, auf den Mont Royal mit einem tollen Blick über Montreal und in den Olympiapark. Die Gebäude dort haben mich schon sehr fasziniert, vor allem der schiefe Turm über dem großen Stadion, der das Dach ursprünglich halten sollte. Jedoch wurde er erst nach den Sommerspielen 1976 fertiggestellt, da die Zeit davor zu knapp war.
Insgesamt habe ich in der 3 Millionen Einwohnerstadt viel Schnee erlebt und natürlich auch die Kälte. Zum Glück gibt es dort das weltweit größte Netz an unterirdischen Wegen mit vielen Geschäften, das die Hochhäuser miteinander verbindet. Dort kann man sich immer wieder aufwärmen. Im Sommer hat die Stadt am Sankt-Lorenz-Strom wohl viel mehr zu bieten und man kann tolle Festivals erleben, doch ich hab auch im Winter dort viele nette Menschen kennen gelernt.
Bevor ich nach einer Woche, die viel zu schnell verflogen ist weiter gezogen bin, habe ich im SWAP Office noch Weihnachtspost von zu Hause abgeholt. Da ich nicht wusste wo ich Weihnachten und die Zeit davor verbringen werde hab ich meine kleinen Geschenke dort hin schicken lassen und war froh, dass es geklappt hat.

Da ich vor Weihnachten noch Verwandte in der Nähe von Montreal besuchen wollte habe ich bald wieder meine Sachen gepackt und bin in den Ort St. Hubert mit öffentlichen Verkehrsmitteln (ca 1h) gefahren. Dort bin ich nach wenigen ersten Eindrücken der französischen Sprache in Montréal auf einen besonderen Deutsch-Englisch-Französisch-Mix gestoßen. Heinz und Gudrun sind vor ca 50 Jahren hier her ausgewandert und sprechen seit dem einen interessanten Schwäbisch-Englisch Mix. Das heißt, dass wirklich fast in jedem Satz mindestens ein deutsches/schwäbisches Wort und mindestens ein Englisches Wort drin vorkommt. Daran muss man sich erst mal gewöhnen:) Sie kann auch französisch sprechen, er will nichts damit zu tun haben. Ich wurde jedoch total freundlich aufgenommen, habe ein eigenes Zimmer mit Postern vom Rotweiler Narrensprung bekommen und super leckeres Essen. Am Wochenende des vierten Advent habe ich noch eine dritte Person in diesem Haus kennen gelernt: Lennart. Er ist für ein Jahr zu Gast, da er hier in Kanada seine 11. Klasse in einer französischen Schule macht. Mit ihm konnte ich mich mal wieder wirklich auf deutsch länger unterhalten, das hat gut getan. Am Samstagabend waren wir zusammen auf einer Überraschungsgeburtstagsparty mit einigen seiner Klassenkameraden. Das war sehr lustig.

Über Weihnachten wollte ich raus aus der Stadt, aufs „Land", mit ein paar anderen Jugendlichen feiern, nach dem ich die ersten Monate eigentlich ausschließlich nur in den Ballungszentren verbracht habe. Denn vor allem will ich raus hier in die Natur in Kanada, um die Berge, den Schnee, die Seen zu erleben und nicht nur die Menschenmassen. Große Städte gibts ja auch in Deutschland, oder?!
All diese Ansprüche bekomme ich glücklicher Weise hier auf dem Mont Tremblant erfüllt. Das ist der höchste Berg hier in Ostkanada mit einem sehr beliebten Skiegebiet. Dieses Ziel hatte ich mir schon in Montreal überlegt, also bin ich in einen Reisebus gestiegen um die Jugendherberge „Auberge de Jeunesse" zu suchen. Das hat überraschend schnell geklappt und ich war sehr zufrieden mit meiner Wahl. Noch vor Weihnachten habe ich dort einige nette Reisende kennen gelernt, aus der Umgebung hier, aus den Staaten oder aus ganz anderen Kontinenten, die hauptsächlich zu Wintersport machen hier sind/waren. Zum Beispiel verstehe ich mich immer noch super mit Paul und Alice. Sie sind aus Australien und sind hier auch total glücklich mit dem vielen Schnee.

Am Heiligen Abend selbst gab es ein großes Abendessen mit allen Gästen der Jugendherberge und anschließend kam sogar der Weihnachtsmann, bzw. die Weihnachtsfrau. Ein kleines Mädchen wollte das rote Kostüm unbedingt anziehen und jedem ein Geschenk überreichen. Das war ein sehr lustiger und gemütlicher Abend an dem wir bis spät in die Nacht am Feuer gelacht und erzählt haben.

Zwischen den Jahren war ich auch ein paar Tage Snowboard fahren mit einigen aus der Herberge und habe nicht nur dabei festgestellt wie teuer das hier alles ist: Skipass, Leihgebühren, Unterkunft, Verpflegung... Da es mir jedoch wirklich gut gefallen hat habe ich mich entschieden länger hier zu bleiben. Doch das geht nur mit einem Job. Das heißt wieder, wie in Toronto lästige Telefonate, Bewerbungen und Besichtigungen, dieses mal jedoch hauptsächlich in Französisch und nur ein bisschen Englisch. Das ist nicht einfach. Ursprünglich hatte ich mir überlegt auf der Piste irgendwo zu arbeiten, wo man nicht die ganze Zeit im Kontakt ist mit den Kunden usw. und dementsprechend nicht so viel Französisch braucht. Bewerben muss man sich jedoch überall in französisch, obwohl eigentlich alle Touristen hier Englisch sprechen. Das fiel mir natürlich nicht so leicht, außerdem war der Zeitpunkt nicht besonders geschickt, da die meisten Stellen für die Saison immer schon im Herbst vergeben werden. Ich wollte schon fast aufgeben und weiter ziehen, doch dann habe ich überraschend was in einem Restaurant namens La Savoie gefunden, die unbedingt Hilfe in der Küche gebraucht haben. Ja, so schnell kann es gehen und ich hatte meinen ersten Arbeitstag noch im alten Jahr!

Silvester habe ich auch in der Jugendherberge verbracht: Zusammen haben wir Pizza gebacken und sind anschließend auf die Piste um das einzige, dafür sehr beeindruckende Feuerwerk in einer bitter kalten Nacht zu bewundern. Da nach wurde natürlich noch gefeiert, draußen und drinnen in verschiedenen Bars. Das komischste an diesem Abend war zu wissen, dass in Deutschland schon längst das neue Jahr begonnen hat. Nora und Pätitia kommen auch aus Deutschland und arbeiten bzw. arbeiteten in der Herberge. Mit ihnen hab ich schon um 18.00 Uhr am 31.12. kurz angestoßen, da zu der Zeit die Feuerwerkskörper schon alle in Deutschland hochgegangen sind. Das war echt ein komisches Gefühl, da wir noch den ganzen letzten Abend im alten Jahr 2008 vor uns hatten.

Im neuen Jahr bin ich in eine WG eingezogen in St. Jovite. Das gehört auch zu Tremblant, ist jedoch der alte Teil, mit wenigen Touristen. Dementsprechend gibts auch einen Supermarkt mit normalen Preisen und andere kleine Geschäfte in denen man eigentlich alles bekommt, was man zum Leben so braucht. Ins Restaurant, also direkt ins Skigebiet, dort wo die Lifte starten kann ich mit dem öffentlichen Bus fahren. Zusammen lebe ich hier mit zwei Mexikanern Salvador und Christian und einer Französin Emilia. Alle arbeiten sie hier im Skigebiet für diesen Winter. Mit ihr habe ich nicht besonders viel zu tun, die Mexikaner sind jedoch total lustig und offen für Neues. Das Problem ist oft nur die Kommunikation, da sie nur ein bisschen Französisch sprechen und kein Englisch. Deswegen lerne ich jetzt auch ein bisschen Spanisch: uno, dos,tres, buenas dias, como estas? Hace frio, tengo humbre, tu eres una chica hermosa, adios! Ja, das macht echt Spaß, sie lernen auch ein bisschen Deutsch und zum Glück gibts ja auch noch die Körpersprache!

Im Gastronomiegewerbe ist es recht einfach schnell einen Job zu finden und auch schnell wieder abzusteigen, auch mit einer zusätzlichen Fremdsprache. La Savoie ist ein Restaurant, das nach einer Region in Frankreich benannt ist, aus der zum Beispiel der Käse importiert wird. Dementsprechend gibt es französische Spezialitäten: verschiedene Fondues, nicht nur mit Käse und natürlich Raclette. Sehr lecker!
Da ich dort nur abends arbeite habe ich noch zusätzlich einen Job in der Bar „La Diable". Dort bin ich als „Bossboy" angestellt. Das heißt, ich bereite einfache Gerichte (z.B. Salate, Gemüseplatte, u.ä.) selbst vor, bringe die Speisen den Bedienungen und mache auch den Abwasch. Es arbeiten immer 2 Bossboys zusammen. Ich bin nur ab und zu morgens da und helfe den Köchen alles für den Tag vorzubereiten und beginne anschließend mit dem Beliefern der Bedienungen. Verglichen zum Restaurant abends ist der Job dort besser, da ich bei La Savoie eigentlich hauptsächlich den Abwasch mache. Dafür genieße ich die Stimmung abends total im Team. Wir haben viel Spaß zusammen, die Köche, Bedienungen und das Abwaschteam (immer 2 Personen). Ich verstehe immer mehr von den französischen Witzen, und wenn nicht werden sie mir ins Englische übersetzt. Oftmals verfolgen wir abends die Hockeyspiele am Radio mit und feiern die Siege gemeinsam. Das ist echt super. Sonst würde ich den Job wahrscheinlich nicht machen.

Mit der Englischen Sprache habe ich wirklich kaum mehr Probleme, was das Verständnis und das Sprechen angeht. Das ist sehr angenehm. Im Französischen (nach der 11. Klasse abgewählt...) kann ich mich mittlerweile auch ganz gut verständigen und sagen, was ich will. Es ist jedoch oftmals noch schwierig für mich zu verstehen, wenn die „Einheimischen" hier untereinander schnelles französisch sprechen und dann noch mit dem Akzent hier in Quebec! Dadurch werden viele Worte doch sehr verändert. Doch ich bin ganz zuversichtlich, das ich das auch noch lernen werde!
Was ich manchmal wirklich vermisse in beiden Sprachen sind bestimmte deutsche Redewendungen, die man einfach vom deutschen nicht übersetzten kann. Zum Beispiel den Ausdruck „zwischen den Jahren" kennen die Leute hier einfach nicht. Wenn ich erzähle, was ich „ in between the years" oder so erlebt habe, dann werde ich nur blöd angeschaut. Oder wenn sich jemand auf einem Holzpfad befindet, dann kann man nicht einfach sagen „You are on a woodtrail" oder irgendwas in die Richtung. Ich bin noch auf der Suche nach Redewendungen im Englischen und Französischen, die so was ähnliches zumindest bedeuten.

Jeden Winter hier in der Provinz Quebec gibts wohl meist zwei richtig kalte Wochen. Die eine davon habe ich jetzt gerade hinter mir, und sie war wirklich kalt. Das extremste was ich an einem Thermometer ablesen konnte war -41°C und das ist schon einiges! Es war einige Tage immer blauer Himmel, Sonnenschein und Nachts sternenklarer Himmel und eben richtig kalt. Zum Glück ist mein Zimmer immer gut geheizt und in der Küche wirds auch nie kalt, aber allein das Warten auf den Bus kann dann sehr unangenehm werden. Man beschäftigt sich allein sehr lange mit dem Gedanken, wann es wohl die Beste Möglichkeit ist den Busfahrschein aus der Tasche zu ziehen bevor der Bus kommt. Denn im Handschuh ist es warm und den Fahrschein mit der nackten Hand in der Jackentasche zu suchen ist doch ziemlich kalt. Naja, das war auch eine gute Erfahrung, jetzt ist es wieder normal zwischen -10° und -15°C, also richtig warm! Bin gespannt, wann die zweite kalte Woche kommt...

Wenn ich hier also nicht beim Arbeiten bin, dann verbringe ich die Zeit entweder in der Jugendherberge, dort ist immer was los, auf der Piste, lerne spanisch mit meinen mexikanischen Mitbewohnern oder gehe ins Schwimmbad. Dort habe ich freien Eintritt dadurch dass ich in der Bar beschäftigt bin und kann relaxen im Wirlepool oder im Dampfbad:)
Außerdem will ich in den nächsten Wochen hier noch Langlaufski ausprobieren und „Snow Tubing". Das heißt, einen Hang in großen Reifen runter rutschen. Das macht sicherlich auch super viel Spaß! Also, es gibt noch viel zu erleben im Bereich Wintersport, darauf freue ich mich!
In diesem Sinne wünsche ich euch ein gutes neues Jahr 2009!