Der hohe Norden

Langsam aber sicher bessert sich mein Bein, nach wie vor, darüber bin ich echt froh. Ende August habe ich nach einigen Behandlungs- und Trainingsstunden endlich das grüne Licht von meinem Physio bekommen, bezüglich meiner Reise in den Norden. Ich hatte ja viel Zeit zum (gedanklichen) Vorbereiten, da ich mit meinem Bein so gut wie nichts unternehmen konnte. Nach langem Überlegen habe ich mich dazu entschieden, die Reise mit dem Auto zurück zu legen. Die Bedingung vom Arzt war, dass ich beim Fahren viele Pausen machen soll, um das Bein zu bewegen. Glücklicherweise habe ich übers Internet sogar einen Mitfahrer gefunden, denn alleine hätte ich die 2.600 Kilometer bis nach Whitehorse nicht zurück gelegt.

 

Mit Marvin, einem anderen Work- and Traveller in Kanada (19 Jahre alt) bin ich also in 5 Tagen bis in das Yukon Territory, nördlich von British Cloumbia gefahren. Er ist vor kurzem erst in Vancouver angekommen und will im Herbst auf einer Farm im hohen Norden arbeiten, damit hatten wir viel interessanten Gesprächsstoff. Zwischendurch haben wir auch englische Hörbücher gehört, wie zum Beispiel „Catch me if you can“. Das war wirklich lustig! Viele Pause haben wir gemacht, nicht nur wegen meines Beins, sondern auch wegen der gigantischen Landschaft, die natürlich mit der Kamera immer mal wieder festgehalten werden musste. Die wirkliche Dimension dieses Naturspektakels lässt sich jedoch gar nicht auf Bildern wiedergeben. Es ist echt unbeschreiblich, in wie vielen Farben die grünen Bäume, Sträucher und Gräser sich langsam rot, orange und gelb färben. Bei Sonnenauf- und untergang war das ganze natürlich noch mal dramatischer. Übernachtet haben wir auf Campingplätzen oder auf Rastplätzen, das heißt sozusagen in der Wildnis, was hier legal ist auf öffentlichen Plätzen. So sind wir einen Highway nach dem anderen hoch gefahren, unter anderem den berühmten Alaska Highway. Dieser beginnt in Dawson Creek und führt bis nach Alaska. Das ist die einzig durchgehend geteerte Strecke bis nach Alaska. Dieser Umstand macht es heute recht einfach in den Norden zu kommen, doch früher war das oft mit grossen Umständen verbunden. Trotz der Tatsache, dass fast alle LKWs im Yukon auch auf dieser Strasse fahren, ist es in der Regel recht ruhig und nachts ist eigentlich niemand unterwegs. Das heisst es ist kein Problem auch in der Nähe des Highways zu übernachten. Viel muss ja auch nicht in das wenig besiedelte Land dort oben gebracht werden...

 

Zum Glück ist auf der Fahrt nichts passiert, uns ist nie der Sprit ausgegangen, es gab keinen Unfall und wir hatten immer einen guten Schlafplatz. (Genächtigt haben wir im Auto). Schliesslich sind wir also rechtzeitig an unserem Ziel angekommen: Whitehorse. Das ist die Hauptstadt des Yukon und beherbergt mit 20.000 Einwohner zwei Drittel des ganzen Territoriums (das fast so gross wie Alaska ist!). Das Städtchen hat nicht besonderes viel zu bieten ausser vielen deutschen Menschen, nicht nur Touristen. Fragt mich nicht, wie die da alle hinkommen und warum! In Whitehorse angekommen habe ich Marvin in eine Jugendherberge gebracht und habe selbst Michael, meinen Onkel aus München getroffen. Das war natürlich eine riesen Freude beim Wiedersehen, da es für mich überhaupt der 2. Besuch aus Deutschland war und wir uns schon lange nicht mehr gesehen hatten! Gemeinsam haben wir gemütlich eine Nacht in dieser „grossen“ Stadt verbracht um genug Zeit zu haben zum Lebensmittel zu kaufen und ein Kanu auszuleihen.

 

Am 1. September sind wir mit meinem Van und Kanu auf dem Dach weiter ca 150 Kilometer in den Norden auf dem Alaska Highway Heines Junction gefahren. Von dort aus sind es nur noch wenige Kilometer bis zu einer schnell übersehbaren Schottereinfahrt zu einer kleinen, netten Holzhütte. In diesen 4 überraschend gut isolierenden Wänden haben wir uns schnell gemütlich eingerichtet. Es gab eine Küchenecke, einen Schrank, einen Tisch, ein Sofa und 3 Betten übereinander. Geheizt wurde immer im Holzofen und leckeres Essen haben wir uns auf einem Gasherd gekocht. Aber auch draussen haben wir ab und zu auf dem Feuer gegrillt und die Wärme genossen! Das heisst ganz ohne Strom haben wir dort gelebt, ohne Probleme. Mitten in der Wildnis haben wir in dieser Hütte genächtigt, in der Nähe des Mount Logans, dem höchsten Bergs Kanadas. Michael ist gleich am Anfang einem Grizzly in der Nähe der Hütte über den Weg gelaufen, sodass ich immer besonderes vorsichtig war, vor allem nachts, wenn ich raus musste aufs Plumpsklo... Bären haben wir dort jedoch an der Hütte sonst nicht mehr gesehen, nur Wölfe und anderes Getier gehört.


Von diesem „Ferienhaus“ aus haben wir meist Kanutouren unternommen und kleine Wandertouren, soweit es mein Bein zugelassen hat. Eine geplante 3-Tagestour mussten wir ziemlich am Anfang leider abbrechen, nachdem es auf einem See sehr windig geworden ist. Denn der hat Wellen aufgeschaukelt und 2 mal dafür gesorgt, dass wir abgesoffen sind!!! Zum Glück jedes Mal in der Nähe des Ufers aber nach ein Mal Klamotten trocknen am Feuer war der gute Wille am Ende und wir sind am Ufer zurück zum Auto GELAUFEN!

 

Ein weiteres tolles Abenteuer war unser Ausflug für eine Nacht nach Alaska! Schon auf dem Weg dort hin, auf der Haines Road wurden wir wieder von diesen beeindruckenden Herbstfarben umgeben, das Michael zum Anlass genommen hat einige wirklich gigantische Aufnahmen von meinem Van auf der Strasse zu machen. An der Grenze in die USA gab es weder eine Schlange von Einreisenden noch Probleme ein Touristenvisum zu bekommen. Das war sehr angenehm. Kurz vor der Küste hatten wir schon Glück und haben Seeadler an einem Fluss beobachten können. Das sind ja vielleicht beeindruckend grosse Vögel mit wohl unglaublich guten Augen! In Haines direkt, einer kleinen Hafenstadt direkt am Pazifik haben wir einen besonderen Fluss empfohlen bekommen, bei dem die Chance wohl recht groß sei Bären beobachten zu können. Und wirklich, wir wurden nicht enttäuscht, wir mussten noch nicht mal warten! Sobald wir dort das Auto abgestellt hatten, ist ein 2 Jahre alter Bär mehr oder weniger vor unseren Augen vorbei gelaufen!!! Wer hätte das gedacht? Ich habe mich gefühlt wie im Zoo, aber das war echt, wie dort die Braunbären vor unseren Augen die Lachse aus dem Fluss verzehrt haben! Und wie gemütlich. Die haben uns zwar bemerkt, aber haben sich überhaupt nicht von uns aus der Ruhe bringen lassen. Später haben wir auch noch grotesker Bären beobachtet, wie sie durch den Fluss geschwommen sind und miteinander gespielt haben!!! Das war echt beeindruckend, und so etwas geht einfach unter die Haut! Das kann ich euch sagen!

Auf dem Hinweg nach Whitehorse haben Marvin und ich auch schon immer Ausschau nach wilden Tieren gehalten, aber haben abgesehen von Bisons nichts beobachtet (obwohl das auch schon faszinierend war!)

 

Leider hatten wir nur eine Woche zusammen auf der Hütte, aber wir haben die Zeit genutzt bis zum Schluss: Nachdem unsere erste Kanutour so gescheitert ist, sind wir noch ein weiteres Mal bei einem anderen See aufgebrochen, wieder mit Zelt. Wir haben uns nicht so schnell einschüchtern lassen! Dieses Mal war es jedoch einfach nur entspanntes Paddeln durch menschenleere Natur. Wir haben die streitenden Vögel belauscht und Entenschwärme über den See fliegen sehen. Durch Seegras hindurch sind wir zu einsamen Felskuppen gepaddelt und haben uns auf einer dieser niedergelassen um das Zelt für die Nacht aufzubauen. Dort haben wir auch mehrere Versuche gestartet, einen Fisch zu fangen, doch letztendlich ist uns leider die Angel gebrochen und die Schnur gerissen, sodass der Fisch entkommen konnte... verdammte Sch....!

Die eine Nacht im Zelt war wirklich kalt, trotz des Feuers am Abend und am nächsten Morgen. Doch wir waren warm eingepackt in unseren Schlafsäcken und haben diese nur verlassen als es unbedingt nötig war:)

Insgesamt hatten wir wirklich Glück mit dem Wetter: Es hat nie so richtig geregnet und obwohl es abends immer recht früh dunkel wurde, haben wir entweder noch Back Gammon gespielt oder in unseren Schlafsäcken mit Stirnlampen gelesen!

 

Leider waren wir dann schon wieder schneller in Whitehorse, als das ich erwartet hatte. Zum Abschluss waren wir schön Essen in einem Restaurant und ich habe mich dann wieder auf die Rückreise gemacht: Diese Mal alleine, aber das hat mir nichts ausgemacht. Mein Bein war zu dem Zeitpunkt auch schon wesentlich besser.

Leider bin ich erst mal so richtig durch den Regen gefahren, doch trotzdem habe ich zum Beispiel in Watson Lake eine längere Pause gemacht um den Schilderwald zu bewundern. Dort haben Reisende aus der ganzen Welt Schilder von zu Hause an verschiedenen Holzmasten angebracht. Dadurch ist ein richtiger Wald entstanden und ich habe sogar ein Schild aus Mannheim gefunden!!! Die Welt ist klein...


Übernachtet habe ich wieder meist auf Rastplätzen, da das so unkompliziert ist. Keine Reservierung ist nötig, diese Plätze gibt’s fast überall, sodass ich nie lange suchen musste und fast immer für die Nacht einfach bleiben konnte, wenn es mir irgendwo gut gefallen hat. In der ersten Nacht gleich habe ich sogar total nette Franzosen kennengelernt, die in ihrem total interessant aussehenden und gut ausgestatteten Geländewagen um die Welt reisen. Dadurch hatte ich die Gelegenheit mal wieder ein bisschen Französisch zu sprechen. Das tat gut.

Am 3. Tag meiner Fahrt musste ich das einzige Mal eine längere Pause machen, da es einen Erdrutsch wegen des vielen Regens auf den Highway gab. Das hat eine Komplettsperrung des Highways ausgelöst. So viele Autos wie zu diesem Zeitpunkt habe ich nie davor auf der Straße gesehen, so weit oben im Norden. Man gewöhnt sich richtig daran, alle 50 Kilometer an einem kleinen 3-Häuser-Dorf vorbei zu kommen (wenn man Glück hat mit Tankstelle) und sonst einfach für sich alleine die Straße zu haben. Das ist auch ein tolles Gefühl:)

Der Nebel hing in den Morgenstunden oft sehr tief in den Tälern, aber dann, je näher ich Vancouver gekommen bin, desto wärmer ist es geworden! Letztendlich, an meinem Ziel, waren es weit über 30° C. in meinem Auto und ich war froh über die Klimaanlage! Unglaublich wie schnell sich das Wetter ändert wenn man ein paar hundert Meter weiter im Süden ist.

 

Seit diesem Montag bin ich wirklich in der Stadt wieder heil angekommen, von der ich auch meinen Rückflug starte, und das jetzt schon ziemlich bald!!! Es sind noch genau 2 Wochen bis zu meinem Ablauf des Visums am 30. September. Bis dahin will ich hier noch einige Sachen los werden, und natürlich meinen Rucksack für Deutschland packen. Das Fahrrad zum Beispiel konnte ich überraschend schnell verkaufen, aber das mit dem Auto ist nicht so einfach, bis jetzt. Ich habe die alte Dame jetzt wirklich noch mal geputzt und alles ausgeräumt und dann in die Inspektion gebracht. Jetzt ist mit dem Ford also wirklich alles super bereitet für Strassen in BC (extra Sicherheitstest bestanden!) und ich muss nur noch einen Käufer finden. Dazu könnt ihr mir echt die Daumen drücken!

 

Abgesehen von dem ganzen Organisatorischen genieße ich die letzten Tage sehr, vor allem hier im Spätsommer! Es ist wirklich noch Kurze-Hose-Wetter!!! Auf meinem Bein kann ich schon fast wieder ganz alleine normal laufen, das ist toll!
Ich hoffe, dass ihr auch einen tollen Herbst mit einmaligen Farben habt! In wenigen Tagen bin ich auch wieder in Deutschland, das ist echt unglaublich, 12 Monate Kanada sind dann einfach vorbei!!!
Bis Bald!