Ottawa - Gatineau

Am Freitag, den 28.11.08 war mein letzter Arbeitstag bei Tim Hortons in Toronto. In der letzten Woche habe ich die Tage gezählt mit Hisashi, einem Japaner, der auch dort gearbeitet hat (jedoch für 10 Monate) und jetzt wieder im Heimatland ist. Trotzdem hatten wir viel Spaß, waren zusammen im Kino und hatten nach dem letzten Arbeitstag und eine Abschiedsparty. Fast alle sind gekommen, erst in ein Restaurant und dann waren wir noch was trinken.
Die größte Überraschung in den letzten 2 Wochen im Fast Food „Restaurant" war für mich ein neuer Angestellter, namens Franz, aus Deutschland. Er studierte Erdkunde und Geschichte in Dresden, macht jetzt aber ein Jahr Pause, arbeitet erst 6 Monate in Toronto und will dann durchs Land reisen. Ich hatte die ehrenvolle Aufgabe ihm zu erklären und zu zeigen was ein „Baker" so zu tun hat, sodass er dann meinen Job übernehmen kann, wenn ich nicht mehr da bin. Natürlich sollten wir nur Englisch sprechen aber das hat eigentlich ganz gut geklappt und ich hab mich echt gut mit ihm verstanden. Ähnlich wie ich war er jedoch nicht besonders begeistert von der Art und Weise wie dort gearbeitet wird: alles möglichst schnell erledigen, kaum Möglichkeit zum selbstständigen Arbeiten, oft Überstunden (die zum Glück gut bezahlt werden) usw. Deswegen wird er glaube ich nicht die ganzen 6 Monate dort arbeiten, aber es ist mal ein Anfang.

Am letzten Samstag im November gabs an der City Hall ein großes beeindruckendes Feuerwerk zum Beginn der Adventszeit. Gleichzeitig sind in der ganzen Stadt die verschiedensten Lichter angegangen um Bäume, Weihnachtsschmuck und Gebäude zu beleuchten.
Zum Feuerwerk habe ich mich mit ein paar Freunden getroffen, da es gleichzeitig mein letzter Tag in Toronto war. Wir hatten viel Spaß und sind anschließend noch durch die Stadt gezogen.
Am folgenden Tag habe ich meine restlichen Sachen zusammengepackt und habe mich auf den Weg gemacht in Richtung Osten. Übers Internet habe ich eine Mitfahrgelegenheit organisiert, die mich nach Ottawa gebracht hat. Dort am Busbahnhof hat mich freundlicherweise fast die komplette Familie Cool-Fergus abgeholt, die ich im Sommer im Urlaub in Frankreich kennen gelernt habe.

Die Hauptstadt Kanadas am Ottawa River wird aufgrund ihrer Lebensart und Lebensqualität gerühmt. Zwar ist es, der Temperatur nach, kälteste Hauptstadt der westlichen Welt, aber auch eine der saubersten. Ich habe in den letzten 2 Wochen hier die verschiedensten Wetterlagen erlebt: Temperaturen von + 10°C bis -25°C, Schnee bis zu 40 cm, ein bisschen Regen, Wolken, blauer Himmel, Sonne, sternenklare Nächte, kalter Wind usw.

Hier gibt es jedoch keine luftverpestenden Industrien, wie zum Beispiel in Toronto, die Arbeit Ottawas ist allein das Regieren der Nation. Das Regierungsviertel habe ich gleich Anfang Dezember erkundet. Mit Greg und Julie bin ich morgens immer in die Innenstadt Ottawas gefahren, da sie dort arbeiten. Er bei der liberalen Partei und sie arbeitet im sozialen Bereich für die Regierung.
Trotz dem dass das Wetter nicht so besonders gut war, habe ich zum Beispiel den Peace Tower auf dem „Parliament Hill" besichtigt. Das ist das höchste Gebäude der Hauptstadt mit 1.2 Mio Einwohnern. Es gab sogar eine Zeit lang ein Gesetz das verboten hat ein höheres Gebäude zu bauen, da der Peace Tower als höchstes und wichtigstes Symbol der Stadt nicht in Vergessenheit geraten sollte. Sogar heute noch ist dieser Turm mit 92 m das höchste Gebäude der Stadt.

An einem der folgenden Tage habe ich das War Museum besucht. Es wurde erst vor kurzem fertiggestellt,mit einer beeindruckenden Architektur. Es ist aufgeteilt in 4 Galerien: Die Zeit bis zum 1. Weltkrieg, der 1. Weltkrieg, der 2. Weltkrieg und zu Letzt die Zeit da nach mit NATO, kaltem Krieg usw. Es war sehr interessant diese Ereignisse ein mal aus einem anderen Blickwinkel zu sehen. Besonders war außerdem eine Ausstellung von verschiedenen Kriegsfahrzeugen von der ganzen Welt. Dabei waren natürlich einige Panzer, aber auch andere Fahrzeuge, die zum Beispiel im Wasser schwimmen können, oder Erste-Hilfe-Geländewagen aus den verschiedensten Ländern der Welt. Unter anderem konnte man auch die Limousine von Hitler aus dem 2. Weltkrieg begutachten (siehe Bilder). Am Ende der Ausstellung gibt es eine Plattform mit Aussicht auf den Peacetower mit der Hoffnung, dass solche Kriege möglichst vermieden werden in der Zukunft. Ich habe mir während der Ausstellung immer wieder überlegt wie wohl ein Weltkrieg heutzutage aussehen könnte. Ich kann es mir jedoch nicht vorstellen und bin mir ganz sicher, dass es auf jeden Fall vermieden werden muss. Der wer weiß was alles möglich ist mit den großen technischen Entwicklungen in der letzten Zeit.

Zum Glück erlebe ich hier in Kanada im Moment nur friedliche und sehr nette Menschen.
Mit der ganzen Familie, die mich hier so gastfreundlich in ihr Haus aufgenommen hat verstehe ich mich zum Beispiel echt gut. Sie lebt jenseits des Ottawa Rivers, das heißt in der Stadt Gatineau, die sich schon in der Provinz Quebec befindet. Das Haus ist direkt am Fluss, der im Winter oft zugefroren ist. Ich hatte das Glück, diesen Zustand auch schon zu erleben. Es ist echt beeindruckend, wenn der hier ca. 100 m breite Fluss komplett mit einer Eisschicht bedeckt ist. Ja, das passiert hier sogar bei fließenden Gewässern, bei Temperaturen von -10°C und mehr. Zu dieser Jahreszeit ist es noch gefährlich drauf zu laufen, aber spätestens im Januar wird auf dem Fluss geskatet. Manche fahren sogar mit ihren Trucks aufs Eis um ein Loch ins Eis zu machen zum Fischen.
Es gibt auch 3 „Kinder" namens Alex (15), Ben (13), und Sarah (11) in der Familie. Ben spielt gut Klavier, aber kann kaum Noten lesen (das ist echt faszinierend, es spielt fast nur nach Gehör) und Sarah spielt Gitarre. Wir haben zusammen den Weihnachtsbaum geschmückt, Phase 10 und Wizard (Kartenspiele) gespielt und vor allem viel Spaß gehabt.

Einiges ist jedoch anders hier im Gegensatz zum Leben in Deutschland. Der Adventskranz hat 3 violette und eine pinke Kerze. Diese darf erst am 3. Advent entzündet werden. Warum genau, konnte mir keiner so richtig erklären. Der Tannenbaum mit Plastik Tannennadeln und Drahtzweigen wird jedes Jahr aus dem Keller geholt, zusammengesteckt und dekoriert. So viel wie möglich. Für meinen Verstand war es am Ende ein bisschen zu viel, aber ok. Außerdem werden im Winter die Fenster mit durchsichtigen Folien zugeklebt, als eine zusätzliche Dämmschicht, da es so kalt ist. Ja, anderes Land, anderes Klima, andere Sitten. Das stelle ich immer wieder fest.

Die beliebteste Sportart in Kanada ist: Eishockey. Es wird wenig Fußball, Volleyball oder Handball gespielt, aber Ice Hockey wird fast überall gespielt. Dem entsprechend gute Mannschaften gibt es hier, die ich natürlich nicht entgehen lassen will. Ursprünglich wollte ich schon in Toronto in eine Arena, aber da die Tickets dort so beliebt sind, sind die Preise fast unbezahlbar. Hier in Ottawa ist es zum Glück nicht so schlimm. Deswegen habe ich die Gelegenheit genutzt ein mal zum Scotiabank Place zu gehen. In diese Arena haben mich Greg und Sarah begleitet, da sie früher selbst auch in einem Verein gespielt hat. Das Zusammentreffen der Mannschaften „Ottawa Senators" und den „Pittsburgh Pinguins" war ein harter Kampf. Eigentlich wurde die Gäste als die stärkere Mannschaft eingeschätzt, doch gewonnen haben die Senators nach einem harten Spiel. Die Fans haben mich jedoch etwas enttäuscht. Die Stimmung war nicht das was ich von 20.000 Zuschauern erwartet hätte. Ab und zu konnte man sogar Sprüche wie „make noise" oder „get loud" auf den Bildschirmen lesen. Das hat mich doch sehr überrascht. Zumindest in der SAP-Arena in Mannheim ist das zum Glück nie nötig.

Nach dem ich mir in der ersten Woche hauptsächlich Sehenswürdigkeiten in Ottawa angeschaut habe, beschäftigte ich mich in den folgenden Tagen hauptsächlich mit der Umgebung der Hauptstadt. Besonders empfohlen wurde mir der Gatineau Park. Dort konnte ich mir spezielle Schneeschuhe ausleihen und durch den unberührten Schnee stapfen. Dabei konnte ich Schneelandschaften wie aus dem Bilderbuch betrachten. Und trotz dem dass es schon einiges an Schnee hatte, hat es den ganzen Tag geschneit.

Eine weitere Besonderheit hier in der Nähe ist der Ort Champboisé. Ein Ort in einem Tal, umgeben von vielen Bäumen an einem Fluss. Dort kommen Schülergruppen hin, um zu erleben was es bedeutet sich selbst zu versorgen, Jugendliche, die Erfahren wollen was es heißt selbstständig zu leben oder Erwachsene, die sich erholen wollen. Das angenehme und für manche sehr anspruchsvolle ist dort in Stille für sich allein zu leben.
Ich habe dort in einer von insgesamt 15 kleinen Hütten 48 Stunden verbracht. In diesen Hütten gibt es einen Ofen, ein Bett, einen keinen Schreibtisch, eine Küchenleiste und eine Gaslampe. In diesen Hütten gibt es keine Elektrizität, kein fließend Wasser und keine Heizung. Das heißt man muss sich von einer separaten Hütte Lebensmittel und Wasser besorgen und vor allem immer genügend Holz für die Nächte. Das Kochen hat mir keine Probleme bereitet, das Feuer machen hat mir viel Spaß gemacht, auch Nachts. Denn unter dem sternenklaren Himmel war es in der einen Nacht knapp -30°C, das Feuer brennt für ca. 4 Stunden und die Hütten sind nicht besonders gut isoliert. Das heißt man wacht automatisch nach einer Zeit auf, da es so kalt ist um neues Feuer zu machen.
Das besondere für mich war jedoch vor allem das nicht sprechen für einen ganzen Tag (mittags war jeweils An-und Abreise). Ich glaube das war der erste Tag in meinem Leben, nach dem ich sprechen gelernt habe, in dem ich zu niemandem auch nur ein Wort gesagt habe. Wenn ich nicht gekocht, abgewaschen oder Feuer gemacht habe, las ich vor allem viel in dem Buch „The War of the Worlds" oder habe Touren durch den Schnee gemacht.

Am letzten Samstagnachmittag zurück in der Zivilisation bin ich gleich wieder sehr vielen Menschen begegnet bei einer Plätzchen-back-Party. Alex hatte einige Freunde eingeladen um die verschiedensten Rezepte auszuprobieren. Das war wirklich lustig. Die meisten Plätzchen haben wir gleich gegessen, nach dem sie aus dem Ofen kamen, sodass wir, „in der Familie" das ganze am Sonntag noch mal wiederholt haben mit den kreativsten Mustern oder Objekten auf den Plätzchen.

Ja, ich habe es wirklich sehr genossen hier in dieser Familie, doch morgen werde ich weiter reise nach Montreal. Dort werde ich Weihnachtspost abholen und am nächsten Wochenende Verwandte besuchen.

In der Hoffnung, dass ihr auch weiße Weihnachten haben werdet wünsche ich euch friedliche, ruhige und aber auch lustige Feiertage und dann einen guten Rutsch ins neue Jahr!